Nachdem die neue Orgel in der Gemeinde Marl-Brassert im Vormittagsgottesdienst des 27. Juli erstmalig ihren beeindruckenden Klang entfalten durfte, fand sich für das interessierte Publikum Gelegenheit, am gleichen Tage ab 18 Uhr einem wohl ausgewogenen Orgelkonzert zu lauschen.
Trotz gefühlter hochsommerlicher Temperaturen irgendwo jenseits von 30 Grad Celsius war die Kirche gut gefüllt. Nach einleitenden Worten des Gemeindevorstehers Detlef Kwasny begann Organist Stephan Arnold den Zyklus mit einem Choralvorspiel "Vater unser im Himmelreich" von Georg Böhm (1661 - 1733).
Den Klängen war förmlich zu entnehmen, dass der Komponist versuchte, die Anbetung Gottes in Tonfolgen zu kleiden. Musikalisch flehende Sequenzen der Oberstimme wurden abgelöst von meditativen, innigen und andächtigen Tönen, drängende Akkordfolgen ließen spüren, dass Böhm mit seinem Werk, einem vertonten Gebet, nah an Gott heranrücken wollte. Der insgesamt sehr warm intonierte Klang tat wohl sein übriges, denn es schien so, als würde Gott in einer mit der Oberstimme geführten Passage wohlwollend antworten. Diese Vermutung fand ihre Bestätigung im Schlussakkord: Das Choralvorspiel endete in einem beruhigenden Dur-Akkord - das Gebet hatte Gott erreicht.
Im Anschluss daran konnte dem Concerto del Sigr. Taglietti in B-dur (Adagio, Allegro, Adagio, Allegro) von Johann Gottfried Walther (1684 - 1748) gelauscht werden. Dem in der Kirche ausgegebenen Prospekt zur Orgeleinweihung war zu entnehmen, dass für Walther wie für Bach die Bekantschaft mit den Concerti italienischer Meister wegweisend war. Von diesen bearbeitete er etliche Konzerte für Tasteninstrumente. Im vorgetragenen viersätzigen Konzert für Orgel wechselten sich dabei langsame und schnelle Sätze ab. Die Zuhörer wurden damit hineingetragen in die Bandbreite dynamischer Prozesse, die die Orgel dem Gehör zugänglich machen kann.
Natürlich darf es (fast) kein Orgelkonzert ohne ihn geben: Johann Sebastian Bach (1685 - 1750).
Von ihm trug Stephan Arnold das Choralvorspiel "Kommst du nun Jesus vom Himmel herunter" (BWV 650) vor. Die Tonfolgen, zum Teil an Lockrufe erinnernd, machten deutlich, dass es Bach mit der musikalischen Umsetzung der Bitte des Chorals ernst war. Dieser wurde von ihm als Trio aufgebaut: Jede Stimme ist selbständig zu führen, der cantus firmus dabei im Pedal.
Auch Wolfgang Amadeus Mozart (1756 - 1791), den sicherlich niemand vorrangig in einem Orgelkonzert auf dem Programm erwartet hätte, fehlte nicht: Seine Andante für Flöte und Orchester C-dur KV 315 wurde in einem Arrangement für Orgel von D. Taupin zu Gehör gebracht.
Beim nächsten Werk von Felix Mendelssohn-Bartholdy (1809 - 1847) wechselten die Organisten: Jane Arnold trug aus der Sonate D-dur, op. 65 Nr. 5, die choralartig aufgebaute Andante vor; im Anschluss daran spielte Stephan Arnold den zweiten Teil "Andante con moto" aus dem gleichen Werk, ein in h-moll gehaltenes Orgelwerk mit bewegter, vielfach getupfter Bassführung.
Robert Schumann (1810 - 1856) zeigte sich als Komponist verantwortlich für die dann folgenden 2 Skizzen aus "Vier Skizzen op. 58", Nr. 1 Nicht schnell und sehr markiert sowie Nr. 4 Allegro. Das Konzertprospekt vermerkte hierzu: "In ihrer eigenwilligen dreiteiligen Anlage in Art Menuett - Trio - Menuett erweisen sie sich als kunstvolle, auf Klangwirkung hinzielende Miniaturen mit beinahe humorvollem, ja scherzohaften (4. Skizze) Charakter."
Den Abschluss und sicherlich markantesten Teil des Konzerts bildete ein Werk des französischen Komponisten Louis James Alfred Lefèbury Wèly (1817 - 1869). Wèly hatte den Mut, in seine Kompositionen völlig neue Elemente, die vorher im Bereich der Kirchenmusik undenkbar waren, etwa volkstümliche Themen wie Can-Can oder auch Elemente der Salonmusik und Operette, einzuarbeiten. Das vorgetragene Werk "Sortie Es-dur", eine "Musik zum Ausgang" (aus der Kirche) ließ spüren, was Wèly sich bei der Komposition gedacht hatte: Die Gottesdienstbesucher sollten freudig die Kirche verlassen und mit kräftigem Klang verabschiedet werden. Die beschwingten Tonfolgen ließen das eine und andere Bein der Zuhörerschaft sichtlich zucken, und man konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Besucher der Gottesdienste zur Zeit Wèlys durch die Musik getrieben förmlich das Bedürfnis hatten, ihre Hüte in den Himmel zu werfen und übermütig wieder aufzufangen.
Als Zugabe, die trotz der Wärme dem lang anhaltenden Applaus einfach geschuldet war, trug Stephan Arnold abschlíeßend das G-dur-Konzert von Bach in der Bearbeitung von Johann Ernst Prinz von Sachsen und Weimar vor - ein würdiges Werk zum Ausklang, das noch einmal die gesamten Fähigkeiten von Orgel und Organist unter Beweis stellte.
Insgesamt konnte das Konzert eindrucksvoll vermitteln, welcher musikalische Reichtum nun in der Kirche ruht - und nur abgerufen werden muss. So bleibt zu wünschen, dass der Gemeinde und interessierten Besuchern immer wieder einmal die Gelegenheit geboten wird, außergewöhnliche oder aber auch vertraute Klänge auf einem wirklich hervorragend klingenden und gut in das Kirchengebäude integrierten Instrument zu hören.
Bericht veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung des Autors.
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